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Fischereistop im Arktischen Ozean von Anrainerstaaten gefordert

Geschrieben von Dr. Michael Wenger am . Veröffentlicht in Menschen & Politik.

Das zurückgehende Meereis des arktischen Ozeans eröffnet neue Möglichkeiten der Ressourcenförderung. Dabei steht neben den fossilen Brennstoffen auch die Fischerei ganz oben auf der Agenda der Anrainerstaaten. Doch da keine gesicherten Daten über die Fischbestände im zentralen Bereich des arktischen Ozeans bestehen, haben die Staaten des Arktisrates gemeinsam beschlossen, die Fischerei bis auf weiteres auszusetzen. Nun wird über ein generelles Fischfangverbot für alle Staaten in diesem Gebiet diskutiert.

Die Beringstrasse war einst ein ausgezeichnetes Fischfanggebiet, zuerst für Köhler, jetzt für Königskrabben und Jakobsmuscheln. Doch aufgrund von Gewinnmaximierung hatten viele Gesellschaften schlecht ausgerüstete oder veraltete Schiffe in das Gebiet geschickt, was zu vermehrten Unfällen und sogar Todesfällen geführt hatte. Bild: W. Good
Die Beringstrasse war einst ein ausgezeichnetes Fischfanggebiet, zuerst für Köhler, jetzt für Königskrabben und Jakobsmuscheln. Doch aufgrund von Gewinnmaximierung hatten viele Gesellschaften schlecht ausgerüstete oder veraltete Schiffe in das Gebiet geschickt, was zu vermehrten Unfällen und sogar Todesfällen geführt hatte. Bild: W. Good

In den späten 80er Jahren hatten sich hunderte von riesigen Fabrikschiffen aus Japan, der Sowjetunion und anderen Staaten in den internationalen Gewässern des Beringmeeres aufgehalten und Millionen Tonnen von Köhler, einer schmackhaften Fischart, gefangen. Doch die lukrative und unregulierte Fischerei kam zu einem abrupten und unrühmlichen Ende: Schon in den frühen 90er Jahren brach die Köhlerpopulation zusammen und hat sich seither nicht mehr erholt.

Jetzt haben sich Forscher und Gesetzgeber zusammengetan, um ein ähnliches Desaster weiter nördlich zu verhindern, nämlich im zentralen arktischen Ozean (ZAO). Dieser wird durch den Klimawandel und das abschmelzende Meereis immer weiter zugänglich. Ende April treffen sich sechs der acht Arktisratstaaten zusammen mit verschiedenen Fischereinationen in Washington D.C., um einen Vorschlag für einen Stopp der Fischerei in dem Gebiet zu diskutieren, bis Forscher mehr über die ungenügend dokumentierten Fischbestände gesammelt haben und die Nationen sich auf Fangbestimmungen geeinigt haben werden. Das Fischen soll nach dem Willen der Anrainerstaaten nicht beginnen, „bevor genügend wissenschaftliche Informationen existieren, mit denen eine nachhaltige Fischerei betrieben werden kann“, erklärt Botschafter David Bolton vom Aussenministerium in Washington DC. Er gehört zu den Initianten des Vorschlages. Meterdickes Meereis und Zweifel über das Ausmass der arktischen Fischbestände haben den zentralen arktischen Ozean bisher von der kommerziellen Fischerei freigehalten. Aber das Gebiet des Wintermeereises ist in den letzten drei Jahrzehnten um 9 Prozent oder 1.5 Millionen Quadratkilometer zurückgegangen und die daraus resultierende Zusatzmenge an Sonnenlicht hat die Primärproduktion von pflanzlichem Plankton um 30 Prozent ansteigen lassen.

Bisher war Fischerei in der Arktis vor allem auf Küstengebiete beschränkt. Nährstoffreiches Wasser entlang der Küste machte das Fischen für Kleine Fangschiffe lukrativ. Doch mit der steigenden globalen Nachfrage nach Fisch, mussten neue Fanggebiete auf dem offenen Meer ausgebeutet werden. Bild: NOFIMA
Bisher war Fischerei in der Arktis vor allem auf Küstengebiete beschränkt. Nährstoffreiches Wasser entlang der Küste machte das Fischen für Kleine Fangschiffe lukrativ. Doch mit der steigenden globalen Nachfrage nach Fisch, mussten neue Fanggebiete auf dem offenen Meer ausgebeutet werden. Bild: NOFIMA

In Anbetracht der Tatsache, dass solche Veränderungen die polare Fischerei antreiben könnte, forderten 2012 rund 2000 Wissenschaftler ein Fischereimoratorium im ZAO. Bisher haben die USA und Kanada in ihren Exklusiven Wirtschaftszonen (EEZ) ein solches Moratorium ausgesprochen. Diese Zonen erstrecken sich aber nur jeweils 370 Kilometer entlang der Küste der beiden Länder. Der Rest des ZAO bleibt ungeschützt in den internationalen Gewässern. Daher haben sich die USA, Russland, Kanada, Norwegen und Dänemark (für Grönland) für einen Fischereistopp ausgesprochen, bis die Nationen sich auf einen nachhaltigen Fischereibetrieb einigen können.

Weiter möchten die Arktisnationen auch andere Länder, besonders die asiatischen Staaten wie China, Japan und Südkorea mit ihren riesigen Fischfangflotten, auffordern, diesen Antrag zu unterstützen. Die US-Behörden haben einen bindenden Vertrag vorgelegt, der die ZAO für alle Nationen sperrt, bis Wissenschaftler genügend Daten für die Behörden gesammelt haben. Beispielsweise fehlen Grundlagendaten über die Artenzusammensetzung von Fischen und Wirbellosen aus der Region, gemäss einem internationalen Forschungsteam aus dem letzten Jahr. Eine Priorität, meinen die Wissenschaftler, hat der arktische Krill, d.h. Krebstiere, die eine Schlüsselstellung im arktischen Nahrungsnetz halten und eine der ersten Ziele der kommerziellen Fischerei sein könnten.

Mehrere arktische Nationen haben sich für ein Fischereiverbot in ihren EEZ ausgesprochen. Darunter auch die USA entlang der Küste Alaskas. Schiffe der Küstenwache sollen dieses Moratorium überwachen.
Mehrere arktische Nationen haben sich für ein Fischereiverbot in ihren EEZ ausgesprochen. Darunter auch die USA entlang der Küste Alaskas. Schiffe der Küstenwache sollen dieses Moratorium überwachen.

Um die Datenlöcher zu füllen, werden die Arktisnationen ein Treffen mit anderen Staaten im September durchführen, um einen Forschungsplan zu erstellen. In der Zwischenzeit sollen die Gespräche nächste Woche in Washington, ein „Frühstadium“ darstellen, um die arktische Fischerei auf gesunde Beine zu stellen. Nationen ohne einen direkten Bezug zur Arktis haben sich noch nicht öffentlich zu den Vorschlägen der Amerikaner geäussert. Doch die Teilnahem verschiedener asiatischer Staaten an den Gesprächen im letzten Dezember werden als ein Zeichen des Interesses gewertet. Und viele der Teilnehmer erinnern sich noch lebhaft an das Desaster mit dem Köhler im Beringmeer. „Es ist genau diese Erfahrung“, meint Bolton, „ die uns im zentralen arktischen Ozean antreibt.

Quelle: Eli Kintisch, Science Magazine